Die Chancellor by Jules Verne
Autor:Jules Verne [Verne, Jules]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
— 161 —
»Was wollen Sie, Meister«, antwortet einer der Matro-
sen, ich glaube, O’Ready.
»Habt Ihr die Jolle dort?«
»Nein, Meister.«
»Nun, dann ist sie also weggeschwemmt worden.«
In der Tat hängt die Jolle nicht mehr am Bugspriet,
fast gleichzeitig gewahrt man aber auch das Verschwun-
densein Mr. Kears, Silas Huntlys und dreier Leute von
der Mannschaft, eines Schotten und zweier Engländer.
Jetzt wird mir der Gegenstand der gestrigen Unterhal-
tung zwischen Kear und dem Ex-Kapitän klar. In der
Befürchtung, daß die ›Chancellor‹ noch vor Fertigstel-
lung des Floßes untergehen könne, sind sie übereinge-
kommen, zu fliehen, und haben drei Matrosen durch
Geld bestochen, sich des kleinen Boots zu bemächtigen.
Auch über den schwarzen Punkt, den ich vergangene
Nacht vorübergehend sah, geht mir nun ein Licht auf.
Der Elende hat seine Frau im Stich gelassen! Der un-
würdige Kapitän sein Schiff ! Sie haben uns die Jolle ge-
stohlen, das einzige noch übriggebliebene Boot.
»Fünf Gerettete!« sagt der Bootsmann.
»Fünf Verlorene!« antwortet der alte Ire.
Wirklich gibt der Zustand des Meeres O’Readys Wor-
ten am meisten recht.
Wir sind nur noch 22 an Bord. Wie weit wird sich
diese Zahl noch vermindern?
Bei Bekanntwerden jener feigen Flucht und des die-
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bischen Schurkenstreichs macht sich die Stimmung der
Mannschaft in einem Schwall von Flüchen über die
Entflohenen Luft, und wenn der Zufall sie an Bord zu-
rückführen sollte, würden sie ihren Verrat schwer zu
büßen haben!
Ich halte es für geraten, Mrs. Kear die Flucht ihres
Mannes zu verheimlichen. Die bedauernswerte Frau
wird vom Fieber furchtbar geschüttelt, gegen das wir
völlig machtlos dastehen, weil das Schiff so schnell ge-
sunken ist, daß auch die Arzneikiste nicht zu retten war.
Und wenn wir auch Arzneimittel gehabt hätten, welchen
Erfolg hätten sie bei dem Zustand, in dem sich Mrs. Kear
tatsächlich befand, wohl noch erzielen können?
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Fortsetzung 6. Dezember. – Die ›Chancellor‹ wird jetzt
im Wasser nicht mehr ganz im Gleichgewicht gehalten,
und sie droht allmählich unterzugehen.
Glücklicherweise soll das Floß noch diesen Abend
fertig werden, und man wird sich darauf einrichten
können, wenn Robert Kurtis es nicht vorzieht, damit bis
zum Tagesanbruch zu warten. Der Unterbau ist sehr fest
ausgeführt. Seine Balken sind mit starken Tauen ver-
bunden, und da sie kreuzweise übereinander liegen, er-
hebt sich das Ganze etwa um 2 Fuß über das Wasser.
Die Plattform ist aus Planken der Schanzkleidung
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hergestellt, die die Wellen abgerissen haben und die
man geschickt verwendet hat. Schon im Lauf des Nach-
mittags beginnt man, es mit allem, was an Lebensmit-
teln, Segelwerk, Instrumenten und Werkzeugen gerettet
worden ist, zu beladen. Eile tut not, denn der Mastkorb
des Mittelmastes ragt nur noch 10 Fuß über das Meer
empor, und vom Bugspriet ist nur noch die äußerste
schief aufsteigende Spitze sichtbar. Ich würde mich sehr
wundern, wenn der morgige Tag nicht der letzte der
›Chancellor‹ wäre!
Und in welchem moralischen Zustand befinden wir
uns nun? Ich suche mir klarzuwerden über mein ei-
genes Innere, und es scheint mir, daß ich mehr zu ei-
ner unbewußten Teilnahmslosigkeit hinneige, als zu
dem Gefühl der Ergebung. Mr. Letourneur lebt ganz
in seinem Sohn, der seinerseits wieder nur an den Va-
ter denkt. André zeigt übrigens eine mutige, würdige,
christliche Resignation, die ich nicht besser als mit der-
jenigen Miss Herbeys zu vergleichen vermag. Falsten
ist stets der alte, und, Gott verzeihe mir, der Ingenieur
rechnet noch immer in seinem Notizbuch! Mrs. Kear
geht trotz der Sorgfalt des jungen Mädchens und der
meinigen der Auflösung mehr und mehr entgegen.
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